Alexander
Ruhe: 1923 - Anschlag auf die Frankfurter 
Westendsynagoge - das rechte Deutschland plant den Putsch. Dezember 2023
Ein Artikel aus der Reihe: 
Frankfurter Zeitungs-Archäologie
	
	
	
	
	
	
	
	1923 war das politische Deutschland am Brodeln. Die Franzosen hatten 
	das Ruhrgebiet besetzt, Bayern stand kurz 
	davor Deutschland zu verlassen und sich wieder selbstständig zu machen und 
	die Inflation galoppierte. In dieser 
	Situation witterten die Rechtsradikalen Morgenluft und schlossen sich im 
	Februar 1923 in München zur "Arbeitsgemeinschaft der vaterländischen 
	Kampfverbände" zusammen, jetzt erstmals unter der Führung Hitlers. Wer sich 
	nicht von Hitler vereinnahmen lassen wollte, das war der, ebenfalls 
	strammrechte, Blücher-Bund, auch in München ansäßig. Als im Februar zur 
	großen rechten Fahnenschau auch der stellvertretende Leiter des 
	Blücher-Bundes in Frankfurt, Alfons Bau, gekommen war, erhielt er von der 
	Verbandsleitung den Befehl, das bayerische Regierungsmitglied, Dr.Georg 
	Heim, einer der Führer der bayerischen Volkspartei (BVP) zu ermorden. Damit 
	ging man aber zu weit, den Heim hatte anscheinend schützend seine Hände über 
	die Rathenau-Mörder der Organisation Consul gehalten, das war jetzt nicht 
	allen Rechtsradikalen recht.
	
	Man hätte sich aber überhaupt keine Sorgen machen müssen, denn an 
	Dr.Heim traute sich Bau gar nicht heran. Stattdessen entwickelte er mit 
	seinem Frankfurter Kumpanen in verschiedenen Frankfurter Kneipen einen neuen 
	Plan; Zum Purim-Gebet, am 03.März 1923 wollte er die Frankfurter 
	Westend-Synagoge sprengen. Zu diesem Feiertags-Gottesdienst wären viele 
	reiche Frankfurter Juden in weißen Hemden, "ihren Totenhemden" wie er vor 
	Gericht sagte, in der Synagoge und das würde eine deutschlandweite nationale 
	Erhebung auslösen.
	
	Was ihm dazu aber fehlte, das waren Geld, ein Fluchtauto und
	Handgranaten, das alles sollten ihm die 
	Franzosen liefern. Die Franzosen waren einer 
	seperatistischen Abspaltung Bayerns gegenüber keineswegs abgeneigt und 
	hatten die Münchener Zentrale des Blücherbundes schon großzügig mit Geld 
	versorgt, jetzt wandt Alfons Bau sich an die Vertreter der französischen 
	Armee in Frankfurt und wurde da zuerst auch wohlwollend aufgenommen.
	
	Mittlerweile hatte aber die NSdAP in München, wegen der Ermordung Heims 
	und der Extrawurst, die der Blücher-Bund da braten wollte, die Polizei 
	eingeschalten und der Vorstand wurde verhaftet. Auch Alfons Bau, der ja im 
	Februar auch in München gewesen war, wurde nun verhaftet, nach einigen Tagen 
	aber auch wieder freigelassen. In Frankfurt war man aber unruhig geworden, 
	wenn der jetzt beim Verhör alles verraten würde? Man ging jetzt hier zur 
	Polizei und gestand die Anschlagspläne auf die Synagoge.
	
	Im Juni 1924 standen  fünf Frankfurter Blücher-Leute in Berlin vor 
	dem Staatsgericht, unter den Bildnissen der Kaiser Wilhelm des Ersten und 
	Friedrich (nur Wilhelm den Zweiten hatte man anscheinend abgehängt) hörten 
	sich die Richter die zum großen Teil verworrenen Aussagen der Frankfurter 
	an. Der geistig wohl eher minderbemittelte Alfons Bau stand dabei oft stramm 
	und antwortete mit "Jawoll". Bau, der im Gefängnis schon mehrere 
	Selbstmordversuche unternommen hatte, wurde zu sieben Jahren Zuchthaus, die 
	andern zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt.
	
	Der Blücher-Bund war in der Folge im nationalen Deutschland völlig 
	diskreditiert, auch die liberale Presse schob die Zusammenarbeit mit dem 
	"Erbfeind" Frankreich in den Mittelpunkt, dass da in Frankfurt ein Massaker 
	an Juden geplant worden war, wurde eigentlich nur in der explizit jüdischen 
	Presse thematisiert.
	
	Ansonsten war alles weitergegangen, wie gehabt. Bayern wollte sich 
	weiter abspalten und hatte auch im Mai 1923, als einziges deutsche Land 
	nicht an den 75-Jahr-Feierlichkeiten 
	in der Frankfurter Paulskirche teilgenommen. Im September 23 putschte dann 
	die Bayerische Volkspartei in München und Gustav von Kahr regierte das Land 
	mit Hilfe des Militärs. Im November 1923 putschte dann Hitler, ebenfalls in 
	München, gegen Kahr, blieb aber erfolglos.
	
	Wie es mit Alfons Bau weitergegangen ist, habe ich noch nicht 
	herausgefunden, wahrscheinlich ist er aber in den Genuss einer der vielen 
	Amnestien gekommen, spätestens in den der Generalamnestie von 1928. 
	
	
	Und, als Ironie des Schicksals, ist die Westend-Synagoge nicht nur 
	1923, sondern auch - als eine von ganz wenigen -  in der Pogromnacht 
	1938 nicht zerstört worden, auch nicht durch die Bombenangriffe des Zweiten 
	Weltkrieges und dient bis heute der jüdischen Gemeinde Frankfurt als 
	Gotteshaus.
	 
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