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22.12.2016

Zu Besuch im Geschichtspark Falkensee

Zu Besuch im Geschichtspark Falkensee  

Falkensee ist als Stadt noch keine hundert Jahre alt. Erst 1923 entstand der Ort durch den Zusammenschluss der beiden Dörfer Falkenhagen und Seegefeld. Und trotzdem atmet Falkensee Geschichte. Wenn auch keine gute, wie Jürgen Bellenbaum (62) weiß, der für die Stadt Falkensee im IT-Service arbeitet und zum Tag des offenen Denkmals in diesem Jahr zum ersten Mal nach langer Zeit wieder in Zusammenarbeit mit dem Museum Falkensee zu einer Führung durch den „Geschichtspark Falkensee“ eingeladen hat.

Uns von FALKENSEE.aktuell nimmt er noch einmal zu einer gesonderten Begehung mit, denn über den Gedenkort gleich neben der Geschwister-Scholl-Schule gibt es noch vieles zu erfahren, was bislang in keinem Artikel stand.

Jürgen Bellenbaum, der auch für den Geschichtsverein GF Walpersberg tätig ist: „Im Geschichtspark Falkensee sind die Grundrisse des Außenlagers vom Konzentrationslager Sachsenhausen zu sehen. Die wenigsten wissen aber, was es mit diesem Außenlager auf sich hat. Deswegen zunächst einmal die klare Aussage: In Falkensee gab es damals zu Zeiten des Nazi-Regimes insgesamt sogar NEUN Lager, in denen Gefangene interniert waren. Heute ist aber nur noch das Außenlager des KZ Sachsenhausen erhalten geblieben, weswegen es als verbindender Ort für Kranzniederlegungen und Gedenkfeierlichkeiten dient.“

Denn begonnen hatte alles 1938 im Fremdarbeiterlager Agneshof auf der anderen Seite zur heutigen Spandauer Straße, das zunächst Zwangsarbeiter aus Tschechien aufnahm. Nachdem Tschechien unter deutsches Protektorat gefallen war, wurden gefangen genommene Soldaten nach Falkensee gebracht und hier zur Arbeit gezwungen – etwa in der Landwirtschaft und im Straßenbau. Schon bald wurde das Lager Agneshof um ein zweites erweitert. Das eine Lager nahm politisch Unliebsame aus Deutschland und den besetzten Ländern auf, das andere gefangene Soldaten aus Polen, Norwegen, Frankreich und Italien.

  

Jürgen Bellenbaum: „Die norwegische Delegation um den KZ-Gefangenen Sigurd Syversen, die einmal im Jahr Falkensee besucht und einen Kranz auf dem Gelände des KZ Sachsenhausen, Außenstelle Falkensee, ablegt, meint demnach eigentlich das Arbeitslager Agneshof, das aber heute nicht mehr existiert. Eine Zeitzeugin hat mir übrigens gerade erst berichtet, dass die Holzbaracken aus dem Lager Agneshof bis vor kurzem noch in der Europaschule am Gutspark als Klassenzimmer für die Erst- und Zweitklässler genutzt wurden. Leider ist dies erst nach dem Neubau bekannt geworden, sodass diese historischen Zeitzeugen aus Unwissen über ihre Herkunft inzwischen vernichtet wurden.“

Die Lagerarbeiter mussten damals für die DEMAG-Rüstungsbetriebe schuften und hier Granaten herstellen und Panzer zusammensetzen. Bellenbaum, der in Berlin-Dahlem aufgewachsen ist: „Eine Ausnahme waren die Franzosen, die Bahntrassen aufgeschüttet haben. Sie mussten oft zu Fuß von Falkensee bis zum Reichsbahngelände im Berliner Grunewald laufen.“

1943 hat man in Falkensee das Außenlager zum KZ Sachenhausen errichtet. Jürgen Bellenbaum: „14 große Stein-Baracken wurden hier gebaut, 18 waren geplant. Die Bodenplatten der Baracken sind im Geschichtspark Falkensee noch heute zu sehen, eine einsturzgefährdete Baracke ist zur Gänze erhalten geblieben. Auch der Appellplatz, die Küche und die Desinfektionsanstalt lassen sich verorten. Interniert waren hier übrigens vor allem ‚Ostarbeiter‘ aus Russland und aus der Ukraine, denen man den Kriegsgefangenenstatus aberkannte und die man zwang, für einen Lohn von 40 bis 50 Reichpfennig die Stunde zu arbeiten – die Hälfte des üblichen Satzes. Davon mussten die Arbeiter aber auch ihre ‚Unterbringung‘ und das Essen bezahlen. Niemand konnte aus dem Lager flüchten. Es gab zwei Elektrozäune und Wachmänner der SS. Und selbst wenn die Flucht geglückt wäre: Falkensee war damals eine braune Hochburg der Nazis – die Zivilbevölkerung hätte jeden Flüchtling sofort verraten. Bis zu 5.000 Zwangsarbeiter fasste das Lager – und so viele waren vor Ort auch tatsächlich eingesperrt. Kurz vor Kriegsende sollten alle Internierten umgebracht werden und auf einen sogenannten Todesmarsch gehen. Das konnten die Insassen gerade noch verhindern – und wurden 1945 von den Russen befreit.“ (Foto/Text: CS)

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