Alexander Ruhe: Frankfurts Schliemann; der self-made Archäologe Belck. Okt. 2011

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

 

Dr. Karl Eugen Waldemar Belck und Heinrich Schliemann verbindet einiges, wie dieser wurde Belck an der Ostsee geboren (geb. 25. Febr. 1862 in Danzig) und wie dieser kam auch Belck nur zufällig zur Archäologie. Studiert hatte er Chemie und als Bodenexplorator war er für die Bremer Firma Dyes & Albrecht in das spätere Deutsch Süd-West-Afrika (das heutige Namibia) gegangen, wo er 1884-85 als Lüderitz’ Agent in Walfischbai an einer Expedition von Angra Pequena (heute Lüderitz) nach  Otjimbingwe im Damaraland teilnahm.

Als ein Resultat dieser Expedition wurde eine ganze Pflanzenfamilie nach Belck benannt (Acrotome belckii, Crotalaria belckii, und Crinum belckianum) Belck wurde hier auch anthropologisch tätig und fertigte eine Studie zu den Skeletten der Khoi an.

Mit dem Leiter der Expedition, Karl Hoepfner, blieb er bis zu dessen frühen Tode im Jahre 1900, freundschaftlich verbunden. Wieder in Deutschland, promovierte er 1888 in Halle „über die Passivität des Eisens“ und wurde noch im selben Jahr von Hoepfner, der inzwischen Leiter des dortigen chemisch-technischen Labors war, zu Siemens und Halske geholt und ging in das der Gesellschaft gehörige Kupferwerk Kedabeg im russischen Kaukasus, (heute in Aserbaidschan, nahe der armenischen Grenze). Von dort unternahm er, begleitet von einem in Tscherkessen-Tracht gekleideten Hessen, der für Belck übersetzte und ihm auch als Bodyguard diente,  eine Reihe von Reisen durch den Kaukasus, auf denen er gezielt armenische Altertümer aufsuchte. Im Oktober/November 1891 öffnete er dabei innerhalb von 28 Tagen 45 Gräber und Kurgane  - trotz ausdrücklichem Verbotes der russischen Behörden -  und schickte seine Funde, im Verborgenen, an Rudolf Virchow in Berlin, der dort gerade die größte Kaukasussammlung außerhalb des russischen Reiches aufbaute. (Eine solche Art von Akkord-Archäologie würde man heute Raubgräberei nennen, damals aber nicht).  Auch 1891 unternahm er eine Reise, die ihn, wie er 1908 in einem Vortrag skizzierte, vom persischen Urmia-See  über Van nach Mossul führte. Er entdeckte dabei in der Nähe von Van (im türkischen Teil Armeniens) einen Zweisprachen-Stein, mit dem es erstmals möglich war, die Keilschrift des Ur-Artäischen  zu entziffern. Der Entzifferer war der Privatgelehrte Friedrich Lehmann (später Lehmann-Haupt *1861 gest. 1938), mit dem Belck nach seiner Rückkehr nach Deutschland –angeregt und gefördert durch den Mediziner Virchow – eng zusammenarbeitete. Aus der Arbeit  wurde eine Freundschaft und beide planten eine gemeinsame Reise nach Van, zur wissenschaftlichen Untersuchung des Zweisprachensteines. Die dann aber bald einsetzenden Unruhen in Armenien, die 1895-96 in den Armeniergreuel gipfelten, verschoben diese Reise in das Jahr 1898. Im September 1893 hatte Belck geheiratet, Lilly Valentin (*1870 in Frankfurt +1949 in Rachelsbach/ Oberbayern) eine Schwester des Frankfurter Geologen, Armenienreisenden und Argentinienforschers Dr. Jean Valentin (1867-1897). Etwa auch 1893  holte sein alter Mentor Hoepfner ihn als Direktor in sein chemisches Werk in Weilburg an der Lahn, und 1897 ließen Belck als auch Hoepfner sich in Frankfurt nieder.

 

Inschriftensteine vor dem Museum in Van

 

Dann ging es aber - unterstützt durch die Rudolf Virchow Stiftung -  los und die Belck und Lehmann (außerdem auch Belcks wesentlich jüngerer Bruder Lothar) machten eine 18 Monate lange, abenteuerliche Reise durch Russland, den Kaukasus, den nördlichen Iran (damals Persien), durch Mesopotamien und türkisch Armenien. Dort wurden sie mehrfach von Kurden überfallen, wobei Belck in Van verletzt wurde und nur mit knapper Not dem Tode entkam. Mit den Banditen wurde – auf direkten Befehl des Sultans – kurzer Prozess gemacht, ihnen wurde am Tag nach dem Überfall der Kopf abgeschlagen - konnte man zumindest in deutschen Zeitungen lesen und auch die New York Times hatte berichtet, wie aber in kürzlich (2019) in einem türkischen Archiv gefundenen Dokumenten zu lesen steht, wurde der Haupttäter Kaım Beg, der Belck mit einem Schuss am Ohr und am Hals verletzt hatte, später begnadigt. Er war der Sohn eines kurdischen Clanführers und hatte wohl Beziehungen. (Die Informationen über dieses Dokument sind mir aufgrund dieses Artikels vom türkischen Historiker Dr. Avci übermittelt worden, dem ich danke) Der deutsche Kaiser Wilhelm verfolgte die Belck-Expedition interessiert, auf Wilhelms Drängen hin, er war gerade auf Staatsbesuch in Istanbul,  zahlte der Sultan Belck eine Entschädigung in Höhe von 60.000 Mark (etwa 10 Jahresgehälter eines Universitätsprofessors, die Belck-Expedition war ursprünglich mit 29.000 Mark Spendengeldern finanziert worden, der Kaiser hatte aus seiner Privatschatulle 6000 Mark dazu gegeben.)

 

 Um möglichst große Gebiete erkunden zu können, starteten die Beiden ihre Expedition, trotz aller Mahnungen der Einheimischen dies nicht zu tun,  mitten im Winter und 50 Mann der 116 Mann starken Karawane waren nur mit dem Zurseiteschaufeln des stellenweise 3 Meter hohen Schnees beschäftigt

 

Die beiden Forscher betrieben neben den Ausgrabungen aber auch anthropologische Studien.  sie erfassten die Sprache, die Erzählungen und Lieder, die Sitten und Bräuche der christlichen und muslimischen Bevölkerung Armeniens. Außerdem suchten sie die Furten und Pässe, die Xenophon mit den 10.000 griechischen Söldnern benutzt haben könnte. Die beiden fotografierten als erste mit einem Teleobjektiv, mit dem sie auch Inschriften von unzugänglichen Felswänden aufnehmen konnten. Belck  fotografierte auch ganz gezielt die Zerstörungen der Pogrome gegen die Armenier, als auch die türkischen und die kurdischen Anführer der Armeniergreuel. Er machte während der Reise eine große Zahl von Dia-Bildern, die er später in Deutschland in Lichtbildsvorträgen vorstellte (der Großteil dieser in Glas gerahmten Dias wurde bei einem Bombenangriff während des 2. Weltkrieges zerstört). Dieses Fotografieren der Ruinen der Armeniergreuel hatte umgehend die türkische Polizei auf den Plan gebracht, die die Belck/Lehmann-Expedition in ihrem weiteren Verlauf mit Argusaugen überwachte.

 

Die christlichen Bevölkerung versetzten die Beiden in helle Aufregung, als sie Kirchenmauern Quader mit urartäischen Inschriften entnehmen ließen, um deren Rückseite lesen zu können. Es war also ein  wertvolles und umfangreiches Material,, dass mit nach Deutschland gebracht wurde und um dessen Auswertungsrechte nun nach der Rückkehr ein bitterer Konflikt zwischen den beiden Freunden ausbrach. Er erwuchs wohl auch aus der prekären Situation, dass offiziell Belck der Leiter der Expedition gewesen war und Lehmann nur sein Mitarbeiter, der allein aber die nötigen Fach- und Sprachkenntnisse besaß, um die antiken Funde auswerten zu können. Aus einer Freundschaft wurde nun Feindschaft und in den nächsten Jahren beharkten sich die Beiden in den Fachzeitschriften. (noch 1904 rechnete Belck in der Morgenländischen Zeitschrift mit Lehmann wild ab)

Belck bemühte sich 1901 vergeblich um eine Ausgrabungslizenz im anatolischen Bogazköy. Er erhielt sie nicht, denn das deutsche Außenministerium warf ihm Knüppel zwischen die Beine. Grund dafür waren die diplomatischen Verwicklungen, die seine Armenienreise zwischen Berlin und der Pforte ausgelöst hatten und man fürchtet, das "sein schwieriger Charakter"  neue Verwicklungen zur Folge haben könnte. Außerdem sah man in der - extra für die Ausgrabungen dort - gegründete Deutschen Gesellschaft für die wissenschaftliche Erforschung Anatoliens eine direkte Konkurrenz zu der von Kaiser Wilhelm geförderten Deutschen Orient Gesellschaft. Belck wurde 1902 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die wissenschaftliche Erforschung Anatoliens, eines der Anliegen der Gesellschaft war jetzt die Begleitung des Baues der Bagdadbahn durch Archäologen.

Danach wurde es um Belck ruhiger- In dieser Zeit heiratete er noch einmal, von seiner ersten Frau Lilly hatte er sich 1907 scheiden lassen.

 

 

Waldemar Belck mit (links, sitzend) seiner Schwägerin Anna Karch und rechts, seiner Frau Lia (Elisabeth) *1877 Alsheim bei Worms +1956 Frankfurt

Waldemar Belck, den Arm um seinen Adoptivsohn Robert gelegt mit Familie 1921

Diese beiden Bilder wurde mir, aufgrund dieses Artikels, von Waldemar Belcks Urgroßneffen, dem Sohn des Babys auf dem Bild, zur Verfügung gestellt,

 

 

1917 fiel er noch mal durch eine Petition an den Reichstag auf, mit einem Vorschlag, wie man den Mannschaftsbestand der Armee erhöhen könnte, dann kam nichts mehr. Am 06.September 1932 ist Waldemar Belck in Frankfurt an einer Kehlkopfverengung gestorben. (06. September laut Frankfurter Totenbuch, 07. Sept. laut der Traueranzeige Im Totenbuch lauten seine Vornamen Charles Eugen Waldemar).

 

                                                                                                       

 

Bei archäologischen Untersuchungen der Universität Van ist im Dezember 2017 der von Belck entdeckte Zweisprachenstein, der 120 Jahre lang als verschollen galt, wiederaufgefunden worden. Als ich 2013 in Van war, war das archäologische Museum wegen Demonstrationen und Unruhen auf den Straßen geschlossen, so dass ich das Bild eines Inschriftensteines (siehe oben) nur durch den Zaun der das Museum umgab aufnehmen konnten. Lange habe ich mich gegrämt, dass ich mich im Museum nicht nach Belcks Urartäerstein habe erkundigen können, den man mir aber dort 2013 noch gar nicht hätte zeigen können. Jetzt (2023) bin ich im Internet zufällig auf auf einen Artikel zu den Funden von 2017 gestoßen, den mir Google ins Deutsche übersetzt hat, so dass ich  jetzt ein Bild des Steines präsentieren kann.

 

 

 

Hörbuch vom gleichen Autor

 

                                                                                                           Anderen Artikel lesen